REZENSION
Ist Resilienz die Wunderwaffe gegen diese und künftige Pandemien? Ein Buch-Review Essay über Roland Benedikters und Karim Fathis „The Coronavirus Crisis and its Teachings”
, Kazimieras Simonavicius University Litauen
Benedikter, R., & Fathi, K. (2021). The Coronavirus Crisis and its Teachings. Steps Towards Multi-Resilience. Leiden: Brill. Studies in Critical Social Sciences 204 (Ed. David Fasenfest); ISBN 978-90-04-46952-5, 430 S., 184,04 € https://brill.com/display/title/60830?rskey=JFZaYn&result=1
 
Bücher über die Coronakrise gibt es schon viele. Wenige befassen sich mit Lösungskonzepten in der Zukunft. Dies hier ist eines davon und sollte daher ernst genommen werden. Es unterbreitet im Kern gute Vorschläge und Ideen, über die man allerdings auch kritisch nachdenken muss. Zuvor ein paar Worte zu meinem Bezug zur Sache und zu den Autoren.
Interessenskonflikt und Zusammenhang
Roland Benedikter, den Erstautor, kenne ich schon lange; er ist ein alter Freund und Kollege von mir. Ich war vor vielen Jahren externer Gutachter bei seiner dritten von drei Promotionen, die extrem klug und komplex war. Er war bei mir mehrmals als Gastprofessor eingeladen. Ich habe mit ihm viel über Gott und die Welt gefachsimpelt. Karim Fathi ist ein ehemaliger Student meines Kollegen aus Zeiten, als ich noch an der Viadrina in Frankfurt (Oder) lehrte. Ich kenne ihn nicht gut. Aber ich weiß von meinem Kollegen, dass er ein sehr guter Kulturwissenschaftler ist. Roland Benedikter ist Co-Leiter des „Zentrums für höhere Studien“ am EURAC Research Center in Bozen (https://www.eurac.edu/de), ein Institut, das sich vor allem mit politischen Fragen der Globalisierung und Regionalisierung beschäftigt. [Der Satz mit der Förderung stimmt nicht für dieses Zentrum, daher bitte streichen.]**Ich war vor Zeiten dort eingeladen, zu einer sehr inspirierenden Tagung über Digitalisierung und Religion (Isetti, Innerhofer, Pechlaner, & de Rachewiltz, 2021; Walach, 2021).
Überblick über Inhalt und Grundidee
Das Buch hat mich an einen Brief Goethes erinnert, den er an Winkelmann geschrieben haben soll: es täte ihm leid, dass der Brief so lang geworden ist; er habe keine Zeit für einen kürzeren gehabt. Das trifft für dieses Buch auch zu. Es ist lang und schwer. Das kommt daher, dass es etwa zur Hälfte aus Zitaten besteht. Der erste Block, der von Teil 1 (The Coronavirus Crisis, bis S. 90) und Teil 2 (The Simultaneousness of Local, National and Global Effects, bis S. 127) gebildet wird, rollt die Coronakrise mit all ihren Nebeneffekten, Kollateralschäden und Problemen aus, sowohl die direkten Effekte des Virus und der Pandemie selbst, als auch die sekundären und indirekten, die durch den Versuch der Eindämmung geschehen sind. Teil 3 (The Corona Challenge: Multi-Resilience for an Interconnected World Ridden by Crisis Bundles, S. 129-186) stellt das zentrale Konzept der Multi-Resilienz vor, das auf ganze Bündel von Krisen anzuwenden ist. Die folgenden drei Teile, etwa 100 Seiten, Teil 4 (Requirements for a Post-Corona World, bis S. 224), Teil 5 (Post-Corona Policy Design, bis S. 257) und Teil 6 (Recommendations for a Multi-Resilient Post-Corona World, bis S. 290) skizzieren Visionen für ein Vorgehen, für Planungen und politische Entscheidungen für eine Zeit nach der Krise, genauer für eine Zeit, in der Krisen gewissermaßen der Dauermodus des Operierens von Gesellschaften werden. Dem folgt ein 7. Teil (Outlook. The Coronavirus Legacy: A ‚New World’ Ahead – or Back to Business as Usual? S. 293-353), der eine Art Blick in die Zukunft entwirft, wie sie von den Autoren vorgeschlagen wird. Dem folgt noch ein ca. 60-seitiges Literaturverzeichnis mit geschätzten 750 Titeln. Ein Index hilft beim Suchen.
Damit gehört das Buch formal in die Kategorie „solide recherchiertes akademisches Werk“. Wer wenig Zeit hat, dem sei mindestens der Kernteil empfohlen, in dem das Konzept der Multiresilienz ausgearbeitet wird. Im Grunde ist diese Botschaft einfach. Sie lautet: Die Corona-Krise ist nur ein Beispiel unter sehr vielen denkbaren, wie unsere multipel vernetzte, globalisierte Welt in eine Krise schlittern kann. Jetzt war es eben eine Virus-Pandemie. Demnächst könnte es eine Rohstoff-, Kriegs-, oder andere Form der Politkrise sein. Keiner dieser Krisen gegenüber ist unsere Welt und sind unsere Gesellschaften ausreichend gewappnet. Denn es gibt auf der einen Seite durch eine überbordende, aber nicht gut regulierte Globalisierung multiple Abhängigkeiten wirtschaftlicher und politischer Art, die aber durch schlechtes Regelwerk kaum in politisch-demokratische Strukturen zu überführen sind. Die derzeit vorhandenen Ansätze einer Global Governance sind unzureichend. Jedoch wären totalitäre Zugriffe auch nicht geeignet. Die zu beobachtenden Rückzugsbewegungen nationalistischer Art, auf regionale, oder nationale Strukturen, wie sie etwa im Brexit, in den Europa-kritischen Haltungen mancher osteuropäischer Regierungen, oder der landeseigenen Opposition zu erkennen sind, wären nach Meinung der Autoren auch keine gute Lösung. So hat uns also diese Krise auf dem falschen Bein der nicht ausgegorenen Globalisierung und der schlecht verankerten oder fehlenden Institutionen dafür erwischt. Dass es gerade eine virale Pandemie war, das ist jetzt ein dummer Zufall gewesen. Es hätte alles Mögliche sein können. Aber immer hätte uns ein Krisenstimulus egal welcher Art ins gleiche Dilemma gestürzt: Es gibt keine Strukturen, die eine solche Situation, die global ist, mit ausreichend demokratischem und effizientem Mandat meistern könnte. Insofern ist eigentlich die Bewertung dieser Pandemie für das Hauptargument egal, denn es gilt für jede Krise.
Daher ist das Rezept, das die Autoren vorschlagen Multiresilienz. Das Konzept wird auf S. 143 eingeführt, und zwar als Gegenpol zu Nachhaltigkeit. Während Nachhaltigkeit versucht, Krisen, die vom Menschen ausgehen, zu vermeiden, geht das Konzept der Resilienz davon aus, dass wir gar nicht umhinkönnen, mit Krisen zu leben:
„resilience assumes that (mostly human-made) unpredictable and multi-complex crises will happen anyway in always more complex forms…. Therefore, existing systems … should and must develop capacities to coexist with such crises, to survive, and to adapt to them, not once and for all, but continuously… That implies a continuous revision, adaptation, contextualization and innovation of actions and decisions… critical self-observation and self-revision must become a basic state of mind.” (S. 143)
Dann folgt eine der klassischen Definitionen von Resilienz: „the capacity of a system… to maintain its core purpose and integrity in the face of dramatically changed circumstances.”
Halten wir hier für einen Moment inne, denn dies ist das zentrale Konstrukt. Resilienz evoziert das Bild eines Gummiballs. Den kann man irgendwohin werfen, er springt zurück (Lat. re-silire) und bleibt in seiner Form. Resilienz ist also eine Art inhärenter Widerstand gegen äußerliche Angriffe und Unbilden. Krisen, so die Idee, sind unvermeidbar in unserer komplexen Welt. Sich so zu verhalten, dass sie gar nicht erst entstehen ist keine Option. Daher müssen wir soziale, wirtschaftliche, politische Systeme und unsere persönliche Befindlichkeit darauf einstellen, dass es Krisen geben wird und sie krisenfest, in dem Fall eben resilient zu machen. Das kann man nicht einfach dem Staat überlassen, sondern das muss auf allen Ebenen geschehen. Das ist ein einleuchtender Gedanke, der das Buch empfehlenswert macht.
Die Matrix hierfür (S. 158) ist eine Multi-Resilienz-Perspektive. Sie ist im Grunde den Gedanken einiger integraler Denker wie Wilber und anderen geschuldet und unterscheidet zwischen Subjektiv (Innen) und Objektiv (Aussen), Mikro vs. Makro, was zu einem Vierfelderschema führt mit je unterschiedlichen Zielen (z.B. persönlich vs. gesellschaftlich), unterschiedlichen Methoden (qualitativ-subjektiv vs. quantitativ-verobjektivierend). Dieses Schema wird dann mit dem Panarchie-Modell der adaptiven Zyklen und Viable-Systems Modell verbunden, zwei Modelle der Anpassung aus der System- bzw. Organisationstheorie, die in wiederkehrenden und je neu zu durchlaufenden Zyklen zu Veränderungen und Anpassungen auf je höherer Ebene der Entwicklung führen.
Daraus werden dann einige grundlegenden Prinzipien und Heuristiken abgeleitet, die in 5 Prinzipien vorgestellt werden ( S. 169ff.):
1.
Individuelle Resilienz ist Sache des Individuums, seines psychologischen Gestells, bei dem Staat und Institutionen helfen können, indem sie Ausbildung und Kompetenztraining anbieten, aber sie ist eine Frage der individuellen Entwicklung.
2.
Integration von zentraler und dezentraler Entscheidungsfindung. Hier taucht ein Motiv auf, das mir persönlich sehr sympathisch ist und das auch aus der Erfahrung der Autoren gespeist wird. Weder totale Zentralisierung der Entscheidungsgewalt, noch komplette Lokalisierung sind ausreichend, um Krisen Herr zu werden. Das Südtiroler Modell, das an verschiedenen Stellen des Buches beschrieben und gelobt wird, steht dafür Pate: eine autonome Provinz mit maximaler autonomer Entscheidungsfreiheit in wichtigen Fragen, bis hin zu Steuerverteilung, im Rahmen eines zentralen Gemeinwesens wie Italien.
3.
Problemlösungspraktiken. Hier wird ein neues Ordnungsschema angeboten. Es geht von vier grundlegend verschiedenen Problemsituationen aus. In der ersten wissen wir, dass wir wissen. Zweitens: wir wissen, dass wir nicht wissen. Drittens: wir wissen nicht, dass wir wissen. Viertens: wir wissen nicht, dass wir nicht wissen. Aus diesem Schema leiten sich Heuristiken ab die im Cynefin-Modell dokumentiert sind. Es unterscheidet Situationen nach einfachen Situationen, in denen man kategorisiert und handelt, nach komplizierten Situationen, in denen man analysiert und handelt, nach chaotischen Situationen, in denen man erst handelt, dann schaut was passiert und schließlich gezielt handelt. Und schließlich komplexe Situationen, in denen man erst vorsichtig tastend probiert, Rückmeldungen abwartet und dann gezielt handelt. Die Corona-Krise war ein Beispiel für eine Situation, in der wir nicht gewusst haben, dass wir nichts gewusst haben, also eine komplexe Situation. Hier wäre vorsichtig-probierendes Handeln mit gleichzeitiger paralleler Evaluation angebracht gewesen. Stattdessen stürzte sich die Politik in forsches Handeln. Klang hier in dem Buch Kritik am herrschenden Politikgebaren an? Zaghaft, und zwischen den Zeilen.
4.
Nutzen kollektiver Intelligenz durch Teilhabe. Hier müssten sehr unterschiedliche Sektoren der Gesellschaft zusammengebracht werden, um maximale Nutzung unterschiedlicher Perspektiven zu erreichen, aus der tatsächliche eine höhere soziale und kollektive Intelligenz entsteht. Sahen wir das in der laufenden Krise? Allenfalls in Ansätzen, aber eigentlich nicht in effizientem Maße. Oder vielleicht besser: wir sahen es schon, aber eher als Beschwörung eines Zusammenschlusses der Gutgläubigen und Gutwilligen, aus dem alle Spielverderber, Kritiker und Querulanten per ordre de mufti, in dem Fall der veröffentlichten Meinung in den Leitmedien, ausgeschaltet wurden. Genau das aber führt und führte eben nicht zur Teilhabe, sondern zur Spaltung. Es wäre dem Buch gut angestanden, diesen Aspekt kritisch und solide zu beleuchten.
5.
Entwickeln einer Resilienzkultur durch Kohäsion. Die Niederlande als ein Land, das sich seit Jahrhunderten neuer Krisen wie drohenden Überschwemmungen entgegenstellen muss und darin eine gute soziale Kultur entwickelt hat, wäre ein Beispiel. Das „Zusammenstehen“ müsste strukturell, sozial, politisch eingeübt werden.
 
Soweit also die Kernvorschläge, die in Zukunft institutionell verankert werden müssten und für die es weder auf nationaler Ebene noch auf internationaler Ebene ausreichend gute Beispiele gibt. Die Tatsache, dass es das nicht gab und gibt ist ja auch der Grund, warum die Corona-Krise zu einer globalen Krise ausgeufert ist. Das ist im Grunde die Logik des Textes, und der kann man nur zustimmen.
Dieses Modell der Multiresilienz wird nun auf den folgenden Seiten ausgearbeitet. Allerdings werden hier vor allem zunächst Aufzählungen zu finden sein, wie sich die Post-Corona-Welt verändert. Das ist nicht viel anders, als etwa bereits bei Schwab, der übrigens nicht zitiert ist (Schwab & Malleret, 2020): mehr elektronische, technologische Entwicklungen, Verwerfungslinien zwischen arm und reich, populistischen und demokratischen Ländern, die Notwendigkeit einer Entwicklung im Rahmen der möglichen Ressourcen und der sozialen Notwendigkeit. Neue Entwicklungen wie bedingungsloses Grundeinkommen, Telehealth, etc. werden ausgefaltet und noch einige andere Konsequenzen dieses Rahmens ausbuchstabiert.
Vielleicht sollte man noch die sieben politischen Empfehlungen erwähnen, die von S. 267 bis 290 beschrieben werden:
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Kompetenzentwicklung im Erziehungssystem
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Europäische Simulationskapazitäten und Vorausschau fördern
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Futures Literacy entwickeln, also die Fähigkeit, verschiedene Zukunftspfade zu antizipieren; das ist ein sehr interessantes Konzept, weil es eben auch die Fähigkeit zur kreativen Antizipation unterschiedlicher zukünftiger Entwicklungen einschließt
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Kommunikation durch „complexity workers“, letztlich eine neue Berufsgruppe, verbessern
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Multi-level governance, also Kompetenzen auf unterschiedlichen Entscheidungsebenen befördern
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Bessere internationale Kooperation
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Auf dem Weg zur „Global Governance“, um die wir nach Ansicht der Autoren nicht herum kommen, sollten entsprechende internationale Mechanismen und Verantwortungssysteme entstehen
 
Dem folgen noch einige globale Empfehlungen, wie Schuldenschnitt oder -aussetzung, Task Forces und andere globale Response-Systeme. Pflichtschuldigst, aber etwas unvermittelt gehört dazu auch die Vision einer ganzheitlichen Gesundheit.
Würde man von ihr ausgehen, dann würde das gesamte System der Pandemiebekämpfungsmaschinerie wohl durchaus sehr anders aussehen. An diesem kleinen Beispiel erkennen wir das Hauptproblem dieses Buches: Es ist eine Aneinanderreihung von interessanten Ideen, Befunden und Versatzstücken. Aber ob daraus auch eine konsistente Politik, geschweige denn ein konsistentes Governance Modell ableitbar wäre?
Kritische Erwägungen
Das Buch geht von der Grundprämisse aus, dass das konventionelle Narrativ der Corona-Krise richtig und unbezweifelbar ist. Das wird zwar mit keinem Wort so gesagt, ist aber de facto die Basis all dessen was in diesem Buch entwickelt wird. Dieses konventionelle Narrativ setzt voraus, dass die Welt durch einen dummen Zufall von einem neuartigen, bösartigen und gefährlichen Virus bedroht wurde, die politischen Lockdown-Maßnahmen notwendig und alternativlos waren, die Impfung in der Tat ein bedeutender Schritt in der Bekämpfung der Pandemie und in die Freiheit darstellt, so dass man es beim nächsten Mal durchaus wieder so machen kann, aber eben verbessert um die vielen Elemente, die hier vorgebracht und diskutiert wurden.
Die ersten 120 Seiten bestehen eigentlich fast ausschließlich darin, offizielle Nachrichtentexte aus Radio, Fernsehen und Internet zu zitieren und zu kommentieren (BBC, AFP, Agenturmeldungen, Spiegel, Deutsche Welle, etc.). Die Autoren suchen sich durchaus solide Quellen aus. Aber auf die Idee, dass die Pandemie vielleicht gerade dort beginnt, wo die Korruption der Medienlandschaft aufhört, kommen sie nicht, obwohl man genau dies schlussfolgern muss, wenn man die mediale Berichterstattung mit den wissenschaftlichen Befunden konfrontiert. Überhaupt nimmt das Zitieren von Fremdtext, egal ob aus Mediencommuniqués oder Büchern einen großen Raum ein. Das Buch könnte um gute 150 Seiten kürzer sein, wenn die Zitate auf das Wichtigste eingedampft und längliche Zitate durch eine gute Paraphrase wiedergegeben worden wären. Diese copy-paste-Art des Buchschreibens hat in letzter Zeit überhandgenommen und ist eine stilistische Unsitte.
Aber das Grundproblem ist aus meiner Sicht die kritiklose Akzeptanz des Mainstream-Narrativs als die faktische Wahrheit, und die implizite Voraussetzung, dass die hauptsächlichen politischen Strukturen im Kern gesund sind. Man hätte sich wenigstens im Zuge der Selbstreflexivität eine Relativierung, oder mindestens eine Reflexion über diese Position gewünscht. Vielleicht ist das vergleichsweise frühe Publikationsdatum dieses Buches, dem ja vermutlich eine relativ lange Periode der Abfassung und der Begutachtung vorausgegangen sein wird, und damit auch die sehr frühe Positionierung der Arbeit innerhalb dieser Krise eine Erklärung für dieses Faktum.
Aber kritische Stimmen, die die Sachhaltigkeit des Mainstream-Narrativs bezweifelten, bleiben völlig unberücksichtigt, wie etwa die Great Barrington Declaration mit schon damals etwa 700.000 Unterzeichnern, Ioannidis frühe Analysen über die völlig überzogenen Infection Fatality Rates (Axfors & Ioannidis, 2021; Ioannidis, 2020, 2021; Ioannidis, Axfors, & Contopoulos-Ioannidis, 2020), die alle schon Monate vor der endgültigen Publikation als Preprints zur Verfügung standen, oder die kritischen Analysen des deutschen Netzwerks für Evidence Based Medicine, das schon von Beginn der Krise an alternative Sichtweisen anbot (Schrappe et al., 2020; Sönnichsen, 2020; Sönnichsen, Mühlhauser, & Meyer, 2021), solide Kritik an den Pandemiemodellen, die die Entscheidungen trugen und rechtfertigten, die auf Preprintservern schon sehr früh zur Verfügung stand (Kuhbandner & Homburg, 2020; Kuhbandner, Homburg, Walach, & Hockertz, 2022), derlei Gegenstimmen bleiben in diesem Text ausgeblendet. Sie werden gewissermaßen pflichtschuldigst dem Fake-News-Register zugedacht.
Hätten die Autoren über ihren Tellerrand hinausgeblickt, hätten sie gemerkt, dass ihr absolutes Vertrauen gegenüber der Medienberichterstattung, aus der sich ihre Sicht auf die Krise nährt, irgendwie faul ist. Formale Analysen und Einspruch dagegen gab es wohl zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Arbeit noch nicht (Frank, 2021; Meyen, 2021), aber Gunther Frank zum Beispiel hatte schon sehr früh auf der Webseite „Achse des Guten“ sehr kompetente Analysen publiziert, die man hätte zur Kenntnis nehmen können und müssen.
Eine weitere implizite Voraussetzung, die die Autoren machen und die auch ihr Konzept der Global Governance trägt ist die, dass unsere politischen Strukturen, vor allem auch die internationalen wie die WHO und die sie tragenden und finanzierenden privaten NGOs im Kern gesund und damit ausbaufähig sind. Darüber lässt sich trefflich streiten, aber die Autoren vermeiden diesen Streit. Ich habe meine Zweifel an der Gesundheit dieser Strukturen. Eine Vignette, auf die ich kürzlich stieß, illustriert dies. Etwa im Jahr 2004 äußerten katholische Bischöfe in Kenya den Vorwurf, dass bei einer Impfkampagne der WHO in Afrika Tetanus-Vakzine zum Einsatz kamen, die konjugiertes humanes choriogenes Gonadotropin (hCG) enthielten und damit ein verkapptes Sterilitäts- und Abtreibungsprogramm waren. hCG ist ein Hormon, das normalerweise in einem niedrigen Dosisbereich vom Corpus luteum und später von der Plazenta abgegeben wird und die Schwangerschaft erhält. Wenn es mit einem Tetanustoxin konjugiert wird, führt es zu einer Autoimmunreaktion, die für den Fötus tödlich sein kann, oder verhindert eine Einnistung eines befruchteten Eis in die Gebärmutter. Während Tetanus-Impfungen im Jahres-, später im drei und Vierjahresabstand gegeben werden, verwendete diese Impfkampagne völlig untypisch eine Serie von 6-monatigen Abständen über mehrere Jahre. Während Tetanuskampagnen auf alle Menschen, Männer wie Frauen, vor allem jüngere, gerichtete sind, wurden hier nur Frauen im gebährfähigen Alter zwischen 16 und 49 angesprochen.
Eine sorgfältige Untersuchung amerikanischer Wissenschaftler, die die internationale Literatur zu diesem Thema sichteten, sich das von der WHO verordnete Impfschema ansahen und die Impfchargen im Labor untersuchten bestätigten den Verdacht (Oller et al., 2017). Das bedeutet: Die WHO hat entweder bewusst gegen basale medizinisch-ethische Normen verstoßen und z.B. die Impfkandidatinnen unzureichend über das Ziel der Aktion aufgeklärt. Oder sie wurde selbst Opfer und eine mit ihr verbundene oder sie finanzierende NGO, wie etwa die Impfallianz GAVI, wickelte über sie einen verkappten Menschenversuch ab. Beides lässt kein gutes Licht auf diese internationale Organisation fallen, die ja momentan zur Drehscheibe von Global Governance im Gesundheitssektor wird und dann, wenn die derzeitigen Änderungen in Richtung globaler Entscheidungsgewalt tatsächlich fallen, weitreichende Kompetenzen zur Einflussnahme auf nationale und lokale Gesetzgebungen und Notstandsverordnungen im Gesundheitssektor haben wird (https://childrenshealthdefense.org/defender/jeremy-farrar-who-chief-scientist/ Zugriff am 1.2.2023).
Im Grunde ließe sich das Konzept der Multiresilienz, das die Autoren entwickeln, auch dann als vernünftige Lösungsstrategie anbieten, wenn man davon ausgeht, dass das Mainstream-Narrativ falsch ist und die internationalen Systeme korrupt sind. Nur müsste man dann vermutlich noch einige Punkte mehr ins Konzept aufnehmen, als die im Buch erwähnten.
Resilienzentwicklung oder politische Reflexion?
Jede Firma, die Personal abbaut und den verbleibenden Mitarbeitern mehr Arbeit aufbürdet, damit die Firma weiterbesteht oder mehr Profite macht, schickt ihre leitenden Angestellten wahlweise auf Achtsamkeits- oder Resilienzworkshops, oder auf solche, wo beides verbunden wird. Hilft auch (in Grenzen) (Kersemaekers et al., 2018; Lomas, Medina, Ivtzan, Rupprecht, & Eiroa-Orosa, 2019; Rupprecht et al., 2019). Aber damit wird eigentlich die Situation übertüncht, dass irgendwas am System stinkt (Rügemer, 2020, 2021).
Resilienz ist das neue Zauberwort. Wenn wir alle werden wie Gummibälle, kann uns nichts passieren. Für soziale Systeme ist die Gummiballversion etwas komplexer. Das zeigt dieses Buch sehr schön. Aber nicht unmöglich. Etwas mehr Bewusstsein dafür, bitte, etwas mehr politische Bildung, etwas mehr guten Willen bei allen, und dann können noch so viele Pandemien über uns hereinbrechen und wir steigen gestärkt heraus, wie aus einem Verjüngungsbad.
Was aber, wenn die Pandemien gar keine Notwendigkeit darstellen? Wenn es auch anders ginge? Wenn man vielleicht ganz oben ganz anders denken, handeln und wirtschaften müsste? Wenn vielleicht die Pandemien entstehen, weil kein Medienschreiber und Sozialwissenschaftler sich die Finger damit schmutzig machen will, das Problem beim Namen zu nennen: Gain-of-Function Forschung durch die Militärs, unterstützt mit Milliarden öffentlicher Gelder (Hatfill, 2022; Lipsitch & Inglesby, 2014; Quay, Rahalkar, Jones, & Bahulikar, 2021; Wiesendanger, 2021) (https://www.foxnews.com/politics/nih-gave-ecohealth-alliance-money-risky-coronavirus-research-without-proper-oversight-watchdog-finds, Zugriff 1.2.2023)?
Dann ist nämlich Resilienz-Entwicklung nichts anderes als die politische Dummerchen-Version des Sozialwissenschaftlers, der gegenüber den eigentlichen Problemen entweder blind ist, oder zu feige um hinzusehen und die Sache klar zu benennen. Sie lagert nämlich Verantwortung von Systemen, Organisationen und politischen Entscheidungsträgern ins Subjektive und Private aus. (Meyen, Karidi, Hartmann, Weiß, & Högl, 2017)
Was, wenn Pandemien verkappte Methoden der Kriegführung auf der einen Seite und auf der anderen Seite verkappte Methoden der politischen Intervention ohne demokratische Legitimierung sind? Fake-News Recherchen von sog. Faktencheck-Portalen, die von Regierungen oder NGOs gesponsert sind, die ihre jeweilige Politik reingewaschen sehen wollen können mich nicht mehr davon überzeugen, dass das, was in einer Zeitung steht oder in einer Fernsehsendung kolportiert wird, faktisch richtig ist, seit ich selber zum Objekt einer solchen Recherche wurde, in der ein Pferdesportreporter unsere Studie als wissenschaftlich nicht glaubwürdig abkanzelte, die von unabhängigen und kompetenten Peer-Reviewern durchaus anders gesehen wurde (Walach et al., 2022; Walach et al., 2021).
Diese Fragen sind alles andere als trivial. Es wäre unfair, von einem Buch alles zu verlangen, einen guten, kompetenten Überblick über sozialwissenschaftliche Fragen und eine kompetente Einschätzung zu medizinischen Sachverhalten, die ein eigenes Urteil über die sachliche Richtigkeit der Medienberichterstattung verlangen. Genau das wäre hier nötig gewesen. Denn im Grunde entscheidet sich an der Frage, wie die Medienberichterstattung zur Corona-Pandemie bewertet wird die Frage, welche Rezepte man zur zukünftigen Bewältigung einer Krise anbietet. Dieses Buch entscheidet sich, dem Mainstream-Narrativ Glauben zu schenken und geht einen konsequenten Weg. Dieser ist gut begründet und durchdacht und für alle, die diese Voraussetzungen teilen auch ein solider Wegweiser. Damit kommt man in künftige Polit-Kommissionen und Sachverständigenräte.
Aber es ist ein bisschen wie mit Venedig: Die Fundamente ruhen im Sumpf. Steigt das Wasser, versinkt die Stadt. Ich glaube, diese Gefahr droht hier. Es tut sich eigentlich ein Abgrund auf: Das Vertrauen auf die sachliche Richtigkeit der Medienberichterstattung und in die Verlässlichkeit von Institutionen ist die Basis aller weiteren Handlungs- und Entscheidungsoptionen. In diesem Buch wird die Medienwirklichkeit für bare Münze genommen. Wenn man es nicht mehr tun kann, was dann? Dann helfen auch 400 Seiten kluge Analyse nicht weiter.
Literatur
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Wiesendanger, R. (2021). Studie zum Ursprung der Corona-Virus Pandemie. Research Gate preprint. doi:10.13140/RG.2.2.31754.80323
 
 
Kritische Gesellschaftsforschung
Ausgabe #02, August 2023
ISSN: 2751-8922
In dieser Ausgabe:
Hannah Broecker
Vorwort zur zweiten Ausgabe
Tim Hayward
Kommunikation der Geheimdienste mit der Öffentlichkeit
Jonas Tögel
Kognitive Kriegsführung, Propaganda und Nudging mit Hilfe von Soft-Power-Techniken: eine Herausforderung für westliche Demokratien
Michael Meyen
Propaganda und Zensur im Digitalkonzernstaat
Helge Buttkereit
Eine Meinung unter vielen? Zur Definition von Gegenöffentlichkeit und der Überwindung ihrer Grenzen
Harald Walach
Ist Resilienz die Wunderwaffe gegen diese und künftige Pandemien? Ein Buch-Review Essay über Roland Benedikters und Karim Fathis „The Coronavirus Crisis and its Teachings”
 
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